1. Herren | Neue Westfälische (Uwe Kleinschmidt) | 21.05.23
Drin! Am vorletzten Spieltag haben die Handballer der TSG A-H Bielefeld es gepackt, mit einem Sieg über Ferndorf II die Meisterschaft in der Oberliga und den Sprung zurück in die 3. Liga geschafft. Doch vorher war ein geschichtsträchtiger Abend in Heepen zu stemmen. (weiter....)19.00 Uhr. Der Parkplatz an der Sporthalle Heepen ist gut gefüllt, davor sind die Verzehrstände schon in Betrieb, die Stimmung der Fans kennt nur Zuversicht. Kleineweber in Heepen. „Das müsste ja schon mit dem Teufel zugehen, wenn sie das nicht packen sollten”, sagt TSG-Urgestein, Ex-Torwart und Ex-Trainer Matze Räber.
Schiedsrichter von der Konkurrenz
19.10 Uhr. Drinnen läuft das Aufwärmen noch konzentrierter also sonst. Kein Spieler lächelt. Dann präsentiert TSG-Geschäftsführer Christian Sprdlik den Schock: „Das Schiedsrichtergespann kommt aus Hagen! Die beiden pfeifen auch noch für Eintracht Hagen!”. Ein Unding, schließlich ist Hagen II der direkte Konkurrent um den Aufstieg.
19.25 Uhr. Die Spieler kommen von der Abschlussbesprechung aus der Kabine gestürmt mit wild entschlossenen Gesichtern. Auf ihnen steht der Handballer-Spruch: „Was isst ein TSGer zu Abend? Zwei Ferndorfer!”
19.30 Uhr. Anpfiff. Rückstände zu Beginn ist Niels Pfannenschmidt gewohnt, aber heute ist es anders. Selbst die Routiniers wie Dominik Waldhof sind so nervös, dass es bis auf die Tribüne ausstrahlt. Einfachste Ballverluste und falsche Positionierungen in der Abwehr bringen den 1:4-Rückstand. Sie biegen es zur ersten Führung beim 6:5, dann kassiert Alexander Engelhardt, zweitwichtigster Abwehrspieler neben Waldhof, seine zweite Zeitstrafe (14. Minute). Bei der dritten wäre er raus. Hagener Schiri-Spuk?
Aufstieg bei Niederlage möglich
20.05 Uhr. Mit einem ernüchternden 13:13 geht es in die Pause. „Alle waren so nervös, darauf habe ich dann keinen Einfluss”, wird Pfannenschmidt später sagen. In der Pause blicken die Fans auf den Liveticker: Harsewinkel führt gegen Hagen II in der 48. Minute 26:24. Verliert Hagen II im „Hasenbau”, ist das der vorzeitige Aufstieg für die Bielefelder. Auch bei einer Niederlage. Das unmöglich Geglaubte zieht herauf.
20.18 Uhr. Nur Torhüter Nils Dresrüsse kommt lächelnd aus der Kabine: „Wir müssen jetzt mal loslegen.” Wiederanpfiff in Heepen. Doch es wird nicht besser. Weil es aus dem Positionsspiel nicht läuft, müssen die TSGer sich mit Einzelaktionen im Spiel halten. Florian Schöße und Jens Bechtloff gehen voran.
20.22 Uhr. Die TSG müht sich zum 16:16, da meldet der Ticker: 31:28 für Harsewinkel – noch zwei Minuten zu spielen! Die TSG ist praktisch durch. Frage an den Hallensprecher Sascha Quisbrock: „Sagst du es durch, wenn Hagen verliert?” Der sagt: „Ich habe keine Ahnung. Warten wir ab!”
"Das war's! Abpfeifen!"
20:25 Uhr. Der Ticker meldet: 31:30 für Harsewinkel. Ende. Auf der Tribüne ruft Räber strahlend:
„Das war’s! Abpfeifen.” Doch Sekunden später die Korrektur: Hagen II hat doch noch das 31:31 geschafft. In letzter Sekunde. Jetzt ist klar: Der TSG reicht ein Punkt. Auf dem Feld und auf der TSG-Bank weiß das alles: Niemand.
20.40 Uhr: Bei der 24:23-Führung für die TSG ist die Partie immer noch völlig offen. Auf der Bank kassiert Co-Trainer Carl-Moritz Wagner Gelb wegen Meckerns. Noch elf Minuten zu spielen. Jetzt kommt das Finale. Die Zuschauer in der ausverkauften Heeper Halle Halle erheben sich, klatschen und brüllen ihr Team nach vorn. Nach Nils Strathmeiers 25:23 übernimmt Florian Schöße: Er wirft bis zum 30:26 fünf TSG-Tore in Folge. Drei Minuten vor Schluss muss es das gewesen sein. Das Final-Triple übernimmt der Altmeister höchstselbst: Jens Bechtloff, 37, wirft seine letzten drei Heimspiel-Tore für die Bielefelder am Stück. Das allerallerletzte aus einem Gegenstoß, bei dem wohl kein 18-Jähriger den eigentlich viel zu langen Pass erlaufen hätte. Kurz, flach, drin. 33:27. Ende. Aufstieg! Um 20.58 Uhr bebt der Heeper Dom.
Sprechchöre für den Oldie
Die TSGer Engelhardt und Jannis Louis spielen Max und Moritz, eilen in die Kabine, holen zwei Flaschen Sekt und duschen ihren Coach. Jubelarien, ehe der Handballkreis-Vorsitzende Thomas Boerscheper die auf den 27. Mai datierte Meisterurkunde an Waldhof übergibt. Christian Sprdlik verabschiedet die scheidenden Lukas Nikel, Jan Hübner, Dennis Summa, Christopher Braun und Jens Bechtloff. Der erntet zu seinem Karriereende schallende Sprechchöre. Waldhof sagt: „Das habe ich noch nie erlebt, dass die ganze Tribüne steht und so laut ist. Es war unglaublich.” Und die Zwischenstände aus Harsewinkel? „Wir wussten davon nichts. Und es wäre uns auch egal gewesen. Wir wollten das Ding hier heute mit einem Sieg klären.” Im goldenen Konfetti-Regen begannen die Krönungsfeierlichkeirten einer grandiosen Saison erst.
22.00 Uhr. Kurze Abschlussfrage an Niels Pfannenschmidt: „Das übliche Telefonat morgen früh schenken wir uns, was?” „Auf jeden Fall. Schreib’, was du willst!”, sagt er. Wird gemacht, Herr Meistertrainer.
TSG A-H Bielefeld - Ferndorf II 33:27 (13:13)
TSG: Doden/Dresrüsse; Schöße (11/2), Bechtloff (8),Bruns (5), Heidemann (3), Strathmeier (3), Engelhardt, Louis, Waldhof (je 1), Vunic, Vormbrock, Braun, Demerza, Ullmann, Plaß