1. Herren | Wesfalen Blatt (von Jörg Manthey) | 16.05.10
Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Abschied nehmen ist nicht sein Ding. In den zurückliegenden Tagen hat Dragan Ljakic ziemlich nahe am Wasser gebaut. Die letzte Konstante der TSG Altenhagen-Heepen geht zurück in die serbische Heimat, nach Kragujevac. In den zurückliegenden 15 Jahren hat der 63-Jährige »14 Trainer, zwölf Physiotherapeuten, acht Betreuer und mehr als 120 Spieler« kommen und gehen sehen, zählt der Statistiker auf.

Der kleine Busfahrer mit dem großen Herzen, der beim Handball-Regionalligisten hinter den Kulissen viel mehr Aufgaben erledigt hat, verlässt Deutschland nach 42 Jahren nicht ganz freiwillig. Die Rente reiche einfach nicht aus, um hier über die Runden zu kommen, bedauert Dragan Ljakic.

1995 trat er seinen Dienst beim Busunternehmen Leeker an. Die TSG brauchte einen Fahrer. Sein Chef eröffnete ihm: »Die geben kein Trinkgeld, verkaufen kannst du auch nichts. Das sind Sportler, die haben alles mit. Und unordentlich sind sie auch«. Trotzdem wollte er die Tour nach Wuppertal übernehmen. »Diedel von Boenigk war Trainer, Udo Harms Manager. Die ganze Atmosphäre hat mir gefallen. Es war wie früher beim Boxen«, meint der Ex-Bantamgewichtler, der bis zu seinem 22. Lebensjahr im Seilgeviert stand. Er fing an, die TSG-Torschützen auf Hallenhefte zu kritzeln. »Ich wollte mitreden können«. Ljakic las sich das Regelwerk an und begann, alle möglichen Daten zusammenzutragen. »Dass es keinen Statistik-Ordner gab, hat mich gewurmt«. Logisch, dass er auch das Arbeiten mit dem Excel-Programm als Autodidakt lernte. »Ich sage nur ungern: Ich kann das nicht«.

Dass er mal die Deutsche Handball-Nationalmannschaft kutschieren und beim WM-Vorbereitungsspiel gegen Dänemark in der Kabine sein durfte, als Heiner Brand seine Ansprache hielt, empfand Ljakic als eine große Ehre.

Nach zwei Abstiegen und einer Insolvenz erfüllte sich 2009 Dragans größter Wunsch: »Ich wollte einmal aufsteigen, auch mich einmal als Meister fühlen. Diese Jungs sind mir so ans Herz gewachsen«. Dabei war doch jeder Auswärtssieg irgendwie auch ein bisschen seiner. »Dann haben alle etwas richtig gemacht, der Busfahrer genauso. Im Bus fängt das Wohlfühlen an einem Spieltag an«.

In Kragujevac, mit gut 180 000 Einwohnern fünftgrößte Stadt des Landes, wird Dragan Ljakic ein Häuschen im Stadtteil Pivara beziehen und in seinem neuen Leben natürlich auch in die nahe gelegene Handballhalle gehen. Die Lokalmatadoren vom RK Radnicki Kragujevac sind Vierter der Superliga. »Ich werde mir mal ein Trikot von Sascha Grote anziehen oder eines von Ötti. So finde ich da schneller Kontakt«.

Geduldet von seiner Frau Tatjana, setzt er sich in der Regel morgens um 4 Uhr an den Laptop und vergisst darüber seinen Kaffee, der ungetrunken erkaltet. Nicht nur umfangreiche Statistiken und Bildbanken wollen gepflegt werden. Ljakic (»Ich habe eine Krankheit: Handballomanie«) ist Administrator von Fan-Internetforen oder schneidet TSG-Spiele für Youtube zusammen. Vier Semester Psychologiestudium sind bei ihm allgegenwärtig. »Der Kapitän ist der verlängerte Arm des Trainers auf dem Feld. Aber der Trainer hat zwei Arme und braucht auch auf der anderen Seite gute Leute«, schmunzelt er.

Mit dem Pensionär geht ein in zig fremden Hallen nicht minder geschätzter Zeitgenosse. »Dragan hat immer gute Laune gehabt. Für manchen Spieler ist er eine Vertrauensperson - und für mich fast schon ein Co-Trainer«, sagt Helmut Bußmeyer respektvoll. Torhüter Pascal Welge: »Ich kenne die TSG ohne Dragan gar nicht. Seine Sportweisheiten für jede Gelegenheit werde ich vermissen. Dragan hat immer das Beste für uns und den Verein gewollt. Jeder aus der Mannschaft würde seine Hand für ihn ins Feuer legen«. Dem Internet sei Dank: Ljakics TSG-Herz schlägt weiter. 1800 Kilometer entfernt vom Heeper Dom versucht er sein Engagement bestmöglich fortführen. »Es gibt ja das Sprichwort: aus den Augen, aus dem Sinn. Es würde mich freuen, wenn es diesmal für lange Zeit nicht zutrifft«.

Den TSG-Fans legt er noch eine Botschaft ans Herz: »Verwechselt den Heeper Dom nicht mit dem Kölner Dom. Da wird gebetet. Unsere Halle aber muss beben!«


Ziegen werfen Tore

Manchmal geht es in Statistiken tierisch zu. Wie Dragan Ljakic ermittelt hat, sind - seit 1993 - 16 der insgesamt 116 TSG-Spieler laut Chinesischem Horoskop Ziege. Die vereinen mit 3410/292 Toren exakt ein Viertel aller 13 724 Treffer auf sich. Rekordwerfer ist Johann-David Starck (754/25) vor Henrik Ortmann (739/12). 206 531 Zuschauer haben die 268 Heimspiele verfolgt, von denen 149 gewonnen wurden. Auswärts siegte die TSG 84 Mal und verlor 155 Mal. Rekordtrainer ist Helmut Bußmeyer (63 von 82 Partien gewonnen). Einzig Norbert Gregorz war länger Coach: 88 Partien. Die TSG-Gesamtbilanz seit 1993: 523:545 Punkte.

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