1. Herren | WB - Artikel vom 19.03.2009 | 19.03.09
Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Wintermärchen und Weltmeisterschaft waren gestern. Die Betrugs-, Manipulations- und Korruptionsvorwürfe, die den deutschen Spitzenhandball dieser Tage in eine schwere Krise gestürzt und - mit noch unabsehbaren Folgen - ein Heile-Welt-Image zerstört haben, sorgen auch bei den heimischen Klubs für Unwohlsein. Die WB-Sportredaktion hörte sich in der Bielefelder Handballlandschaft um.

Ungeachtet dessen, ob sich die belastenden Indizien weiter erhärten, wird allseits geurteilt, dass der im Visier der Staatsanwaltschaft stehende THW Kiel und die deutschen Spitzenschiedsrichter Frank Lemme/Bernd Ullrich (Magdeburg) ihrem Sport einen »Bärendienst« erwiesen haben. Ebenso sind sich die befragten Funktionäre und Spieler einig, dass das Ansehen des deutschen Handball international wohl beschädigt sein mag, die Basis in den Kreisen von den Negativschlagzeilen aber unbehelligt bleiben werde. Das A und O, Schaden abzuwenden, sei eine schonungslose Aufklärung sämtlicher Beschuldigungen, die im Raum stehen.

Heinrich Rödding (Vorsitzender TSG Altenhagen-Heepen): Die momentane Diskussion ist nicht förderlich für unsere Sache. Ich befürchte, da kommt noch mehr auf den Tisch. Rigorose Aufklärung seitens des Verbandes, gegebenenfalls Sanktionen und massive Bestrafungen sind das beste Mittel, um die Glaubwürdigkeit des Handballs abzusichern. Ein schlauer Mensch hat mal ermittelt, dass ein Schiri pro Spiel etwa 300 Entscheidungen trifft. Die sind mal richtig, mal falsch. So ist das im Sport. In der Spitze, wo es um viel Geld geht, mag es jetzt Ungereimtheiten geben, aber für die meisten Unparteiischen breche ich eine Lanze. Unser Sport ist sauber. Ich bin selber Schiedsrichter und bleibe da ganz gelassen.

Frank Brennecke (Sportlicher Leiter TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck): Bestechlichkeit und Korruption sind kein Problem nur des Handballs. Das können wir beliebig in den Fußball, in die Wirtschaft oder Politik transportieren. Wo viel Geld ist, wollen Menschen noch mehr haben. Natürlich leidet das Image des deutschen Handballs, aber uns in Bielefeld wird das wenig antun.

Ralf Bruelheide (Routinier TuS 97): Zuerst habe ich ja gedacht, das sei bloß eine persönliche Sache eines beleidigten Rhein-Neckar-Löwen gewesen wegen des geplatzten Karabatic-Deals. Aber inzwischen hat die Geschichte ja solche Ausmaße angenommen, dass sie nichts Gutes für die Sportart verspricht. Der Stein ist ins Rollen gekommen, und es wird noch bestimmt das ein oder andere aufgedeckt, womit wir nicht rechnen. Ich habe Lemme/Ullrich immer für absolut unbestechlich gehalten. Aber so, wie sich die Koffergeschicht liest, kann da was nicht stimmen.

Thomas Boerscheper (Vorsitzender des Handballkreises Bielefeld-Herford): Ich bin erschüttert. Die Kollegen Lemme und Ullrich waren allgemein hoch angesehen und dienten bei unseren Lehrabenden immer als Vorbilder. Natürlich müssen wir erst die Ermittlungen des DHB-Ausschusses abwarten, aber der Imageschaden für das, was wir uns seit 2007 aufgebaut haben, für die weltweite Außendarstellung des deutschen Handballs ist schon da. Selbst wenn ihre Unschuld noch erwiesen werden sollte; Lemme und Ullrich werden nicht zurückommen. Sie müssen ihren Abschied einreichen. Die Öffentlichkeit wird die Vorgänge wegstecken. So wie beim Fußball auch.

Jürgen Wendland (Schiedsrichterwart des Handballkreises Bielefeld-Herford): Vor mehr als 20 Jahren, ich war damals Einzelschiedsrichter, bin ich vorm Spiel mal gefragt worden, womit ich feure. Es war offensichtlich, dass da was im Busche war. Natürlich ist es nicht dazu gekommen. Mit dem Männerchor Altenhagen war ich selber in Moskau. Schon damals waren die Kontrollen sehr scharf. Für den Handball ist das Bild, das er zurzeit abgibt, sehr böse. Aber es wird ein Einzelfall sein. Wir hier im Kreis haben eh kein Manipulationsproblem. Unsere Schiedsrichter bekommen zwölf Euro pro Spiel, 30 Cent pro Kilometer. Des Geldes wegen betreiben die ihr Hobby nicht.

Viele Pfiffe seien nun mal 50:50-Entscheidungen, die dann einer Seite nicht gefallen würden. TSG-Referee Eddy Heiderstädt, noch im Schiedsrichter-Lehrwesen tätig, hat eine Skandal-Nebenwirkung selbst schon zu spüren bekommen. »Ihr pfeift ja wie Lemme/Ullrich, kam von der Tribüne«. Als bedenklich und bedauerlich kommentiert er die Vorgänge um seine bekannten Kollegen. »Wo Menschen sind, ist sowas immer möglich«, sagt Heiderstädt nachdenklich. »Ich traue Lemme/Ullrich das eigentlich nicht zu. Aber warum haben die den Vorfall bloß nicht gleich gemeldet? So einen Abgang haben sie nicht verdient«.

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