1. Herren | Westfälisches Handball Portal | 28.10.12
Gladbeck. Es herrschte ein außergewöhnliches Extrem der Gefühle: Während der glückliche oder sogar überglückliche Micky Reiners, der Trainer der TSG A-H Bielefeld, in der Riesener-Halle strahlte, seine Spieler im Kreis hüpften und „Auswärtssieg“ trällerten, war sein völlig frustrierter Trauzeuge mit seiner Mannschaft zur Ansprache in der Kabine verschwunden. Und vielleicht sollte sich Holger Krimphove, der Coach des VfL Gladbeck, nach der siebten Niederlage im neunten Spiel der 3. Liga West doch mal ein Schlückchen Alkohol gönnen, am besten einen Magenbitter. „Das heute“, sagte er später, „muss ich erst mal verdauen.“ Völlig unnötig hatte der Aufsteiger das Westfalen-Duell mit 26:30 (12:13) verloren.

VfL Gladbeck: An. Tesch, T. Deffte (bei einem 7m) – Schmedt (1), Hüsener (2), Steinbach (n. e.), Koraman (1), Kunze (n. e.), S. Deffte (2), Singh Toor (n. e.), Krönung (2), Mollenhauer (8), Lüning (1), Kintrup (8), Schomburg (1/1).

TSG A-H Bielefeld: Peters (1.-48.), Nolte (48.-60.) – Meyer (3), Geukes (3), Beining (4), Rauchschwalbe, Boy (7/4), Lommel, Krause (7), Schulz (6).

Es war ein merkwürdiges Spiel, das irgendwie alles bot: Klasse-Handball gepaart mit Schrott-Handball, also eine Partie hin und wieder mit ein bisschen Genialität, aber auch nicht selten garniert mit Wahnsinn. Besonders wahnsinnig waren zwei Spieler des VfL Gladbeck, die ihre Mannschaft so schwächten, dass es unmöglich war, vielleicht noch einen Punkt zu retten: Sven Deffte und Thorben Mollenhauer.

25:26 stand es in der 53. Minute, als Jörg Schomburg frei von der Linksaußen-Position an TSG-Keeper Cornelius Nolte scheiterte, der in der 48. Minute eingewechselt worden war und nur dreimal hinter sich greifen musste. Sven Deffte, der 33-Jährige, meckerte und erhielt eine Zwei-Minuten-Strafe. Weil es seine dritte Hinausstellung war, sah der VfL-Routinier die Rote Karte. Im nächsten Angriff dann tankte sich Thorben Mollenhauer durch und traf, aber die Krefelder Unparteiischen Holger Gillmann/Ingo Müller gaben das Tor wegen eines Schrittfehlers nicht und entschieden auf Freiwurf. Der Enttäuschte meckerte, erhielt eine Zwei-Minuten-Strafe und durfte auch auf der Bank Platz nehmen.

Micky Reiners: „Mein Dank geht an die Mannschaft, das war super“

Diese tolle Chance, das Spiel zu entscheiden, ließ sich die TSG A-H Bielefeld nicht nehmen. Selbstverständlich, möchte man fast meinen. Zweimal – erst sechs gegen vier, dann sechs gegen fünf – spielten die Ostwestfalen Linkshänder Mike Schulz auf der Rechtsaußen-Position frei, und der vom TV Emsdetten mit einem Zweitspielrecht ausgestattete 20-Jährige markierte seine Treffer fünf und sechs zur letztlich uneinholbaren 28:25-Führung. Am Sonntag (16.30 Uhr) muss er dann zur Zweitliga-Partie beim HC Empor Rostock.

„Ich bin heilfroh, dass wir das Spiel hier gewonnen haben“, sagte TSG-Coach Micky Reiners. Und für den Fall, dass dieser Sieg glücklich gewesen sein sollte, „brauchen wir uns aber nicht zu entschuldigen“, sagte der 41-Jährige. „Mit der Mannschaft, die wir zur Verfügung hatten, haben wir unseren Streifen runtergespielt. Und die sieben, acht Leute, die auf dem Acker waren, haben gekämpft wie die Löwen. Mein Dank geht an die Mannschaft, das war super.“ Und es war ein disziplinierter Auftritt des Mini-Teams aus Bielefeld, das unter anderem auf den gesperrten Rückraum-Spieler Heinrich Steinkühler verzichten musste.

TSG-Keeper Cornelius Nolte fischt einen Ball nach dem anderen weg

Ob Holger Krimphove, als sein Kumpel Micky Reiners da so rundum zufrieden ins Mikrofon lächelte, auch noch einmal an die guten Phasen seiner Mannschaft gedacht hat? Der VfL, der weiterhin auf Alexander Tesch nach dessen Blinddarm-Operation verzichten muss und deshalb sowohl vorne als auch hinter schwächer ist, präsentierte sich in der ersten Viertelstunde stark – 4:1, 9:5. Und auch nach dem Wechsel, als Thorben Mollenhauer mehr und mehr die ideale Mischung aus Technik und Kraft fand, schafften es die Gladbecker noch einmal, sich ein kleines Zwei-Tore-Polster herauszuwerfen, das vom 22:20 bis zum 25:23 hielt.

Aber dann sah Micky Reiners zu seiner Freude, dass sich der Torhüter-Wechsel auszahlte, dass Cornelius Nolte, der für Hendrik Peters gekommen war, einen Ball nach dem anderen wegfischte und neben der mangelhaften Gladbecker Disziplin entscheidenden Anteil daran hatte, dass seine Mannschaft fünfmal in Serie traf, auf das bereits erwähnte 28:25 davonzog und der VfL in dieser Zeit nicht ein einziges Tor schaffte. Es herrschte Aufregung, großes Gladbecker Unverständnis ob der Entscheidungen der Herren Holger Gillmann/Ingo Müller, von den Rängen gab es auch „Schieber, Schieber“-Rufe.

Holger Krimphove vermisst Disziplin und Konzentration

Aber war das berechtigt? „Ich werde hier jetzt nichts zu den Schiedsrichtern sagen“, sagte VfL-Trainer Holger Krimphove und sprach auch von einem verdienten Sieg der TSG A-H Bielefeld, „weil ich kein Alibi haben will.“ Das bekäme er auch nicht, weil die Patzer seiner Spieler gravierender waren als die der sicherlich manchmal sehr konfus leitenden Unparteiischen. Vielmehr nahm der Gladbecker Coach seine Mannschaft in die Pflicht. „Wir müssen das, was wir uns in der Woche erarbeiten, diszipliniert und konzentriert auf die Platte bringen. Dann gewinnen wir auch solche Spiele“, sagte Holger Krimphove. Wie das wohl in der internen VfL-Runde geklungen hat?

Auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Saisonziel, dem Klassenerhalt, haben diese beiden westfälischen Mannschaften jetzt schon sehr unterschiedliche Voraussetzungen. Aber trotz der 10:8 Punkte nach neun Partien will Micky Reiners (noch) nichts korrigieren. „Unser Ziel war und ist der Klassenerhalt“, sagte der Coach der TSG A-H Bielefeld am Samstagabend in Gladbeck. „Wir müssen drei Mannschaften hinter uns lassen, und ich hoffe, auch aus alter Freundschaft, dass der VfL Gladbeck nicht dabei sein wird. Wir wollen so schnell wie möglich 25 Punkte holen. Dann sollte es reichen, zumindest 13. zu werden.“

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