1. Herren | Westfale Blatt (Ausgabe Bielefeld) | 01.07.11
Bielefeld (WB/jm). Diese Atmosphäre jagt einem heute noch, 18 Jahre danach, Schauer über den Rücken: Etwa 6000 Zuschauer stärkten der TSG Altenhagen-Heepen am 23. Mai 1993 im Einweihungsspiel der Seidensticker Halle den Rücken.

Die Feierstunde gipfelte in einen rot-blauen Freudentaumel: Das 21:15 in der Play-off-Runde über TV Vallendar hievte die damaligen Heroen - Trainer Wolfgang Herz, Galionsfigur Diethard von Boenigk, Carsten Börsting, Maik Hahn, Peter Horstmann, Ingo Franz, Maik Pottmann, Heiner Obermeier, Volker Wöstenfeld, Adeyemi George, Christoph Radke, Jens Windel, Stefan Bolzenius und Heinrich Rödding - in die 2. Liga. Und auf den Balkon des Bielefelder Rathauses.

Plötzlich war der Westdeutsche Meister auf Augenhöhe mit GWD Minden und dem TuS Nettelstedt; die Dimensionen verschoben sich. Ein großer personeller Umbruch war unvermeidbar. Der Aufsteiger griff euphorisch ins Portemonnaie und ging in Hameln auf »Wahl-Fang«. Deutschlands Rekord-Nationalspieler Frank-Michael Wahl kam für eine Spielzeit, dazu der russische Linkshänder Igor Wasiljew. Erster Zweitligatrainer wurde Michael Neuhaus, der nach holprigem Start noch in der ersten Halbserie von Vitomir Arsenijevic abgelöst wurde. Der Klassenverbleib wurde geschafft. Der Zuschauerdurchschnitt lag bei etwa 2000, doch die Anfangseuphorie ebbte zunehmend ab.

Auch in den Folgejahren drehte sich das Personalkarussell auf der Bank und im Feld viel zu heftig. Die TSG wählte gerne die Strategie, Erstligahandballer zu holen (wie die Lemgoer Jörg Krewinkel und Andreas Köckeritz) oder eben internationale Stars. Den zweifelhaften Titel »teuerster Spieler der TSG-Geschichte« hält immer noch Bruno Gudelj (zwischen 1994 und 1996 insgesamt 378/65 Tore in 65 Spielen), der als Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft vom Europacupsieger Badel Zagreb den Weg an den Teuto fand. Ein Coup, der letztlich nicht aufging. Der bezahlte Handball fand sich zunehmend im Mittelmaß wieder und mobilisierte immer weniger Fans.

Um den Kollegen Fußballern die Stirn zu bieten, sollte eine neue Marketingmaßnahme greifen: Vom 1. Juli 1995 an ging es »weltmännisch« als TSG Bielefeld um Zweitligapunkte. Neben einer eingeschlagenen finanziellen Konsolidierung schafften Trainer Diethard von Boenigk, Carlo Börsting, Andreas Köckeritz, Jens Kürschner, Bruno Gudelj, Ingo Franz, Jörg Krewinkel und Co. immerhin den achten Tabellenplatz. In diesem Spieljahr 1996 sorgte die TSG auch im DHB-Pokal für Furore: Das Achtelfinale gegen das Star-Ensemble des THW Kiel mit Magnus Wislander, Klaus-Dieter Petersen oder Thomas Knorr ging knapp mit 22:23 (11:10) verloren. Mit dem »dritten Mann« Hansi Klindt im Tor.

Weil die finanziellen Rahmenbedingungen sich zunehmend verschlechterten, wurden auch die ausländischen Legionäre immer namenloser - Maxim Putica, Darko Dordic, Mirco Susic. Einen letzten wagemutigen Angriff auf die 1. Liga startete die TSG 1998 unter der Regie von Obmann Carsten Förster und Manager Frank Ziegler: Trainer Leszek Krowicki (Polen), Mittelmann Stanislaw Koulintchenko (Russland), der Halblinke Toni Hedin (Schweden), Roman Judycki (Polen) im rechten Rückraum, Peter Gerfen auf dem rechten Flügel, Norbert Gregorz am Kreis: Die namhafteste und professionellste Mannschaft der TSG-Historie scheiterte, weil Gegner wie Hameln oder Nordhorn noch mehr investieren konnten und das vorhandene Bielefelder Kapital den Anforderungen rasch nicht mehr genügte. Die TSG-Spielbetriebs-GmbH musste Anfang 1999 Insolvenz anmelden. Zwar wurde die Serie noch als respektabler Sechster beendet, doch kam es für die Hauptvereine knüppeldick: Sie mussten den Schuldenberg in sechsstelliger Höhe mit abtragen. Heepen hat die Altverbindlichkeiten inzwischen getilgt, der TSV Altenhagen (der den größeren Batzen zu tragen hatte) ist zum Jahresende durch.

Im Jahr eins nach der Insolvenz standen »Oldies« wie Helmut Bußmeyer oder Adeyemi George auf dem Parkett. Die Ausländerpositionen übernahmen Goran Todosic und Libor Hrabal. Der zuweilen geniale tschechische Mittelmann entpuppte sich als Volltreffer. Seine Dreijahresstatistik (1999-2002): 572/183 Tore in 87 Einsätzen.

Die HSG 02 Bielefeld, die »Ehe« mit dem TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck, entpuppte sich als kurze und unglückliche Symbiose. 2003 war der Abstieg nicht mehr zu vermeiden. Die Idee der Handball-Großmacht wurde interpretiert als errare humanum est (irren ist menschlich) und wieder geschieden. Bis in die Oberliga ging's runter. Inzwischen wird im Heeper Dom wieder drittklassiger Handball gespielt, mit lauter Jungs aus der Region.

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