Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Mit der besten ersten Halbzeit der Saison hat Handball-Drittligist TSG Altenhagen-Heepen den Spitzenreiter mehr als beeindruckt. Schade, dass der famose 18:11-Pausenstand nicht ganz für ein Happyend reichte. Gegner TuS Ferndorf profitierte von wachsenden TSG-Konditions- und Konzentrations-mängeln feierte das 28:28 im Heeper Dom wie einen Sieg.


Auf TSG-Seite war die Enttäuschung riesig. Der vorbildlich rackernde Carl-Moritz Wagner wetterte emotional über »eigene Dummheit«. Johann-David Starck machte »einen anderen physischen Status« beim Gegner aus, »auch gedanklich«. Der Kapitän richtete sich lieber an der ersten Halbzeit auf. »Da haben wir eine unheimlich attraktive Deckung gespielt. Das war richtig cool«.

Schon nach drei Minuten und fünf Sekunden – Altenhagen-Heepen lag nach Treffern von Kunisch (2/1) und Wagner mit 3:0 vorn – hatte Ferndorfs serbischer Coach genug gesehen und haute zum Ergötzen der 458 Zuschauer die grüne Karte aufs Pult des Zeitnehmertisches. Seine Auszeit-Ansprache war wohl laut, verpuffte jedoch gegen eine toll eingestellte TSG Altenhagen-Heepen, die von Beginn an am Limit spielte.

Zwar musste Johnny Dähne nach drei vermeidbar erscheinenden Treffern frühzeitig seinen Kasten für Pascal Welge räumen (6:4, 9.), doch die TSG malochte rustikal, dass es eine Freude war. Die 6:0-Deckung suchte respektlos Körperkontakt, verschob klug und sorgte für ratlose Ferndorfer Mienen; es gab keine Anspielstationen. Die erzwungenen Abstimmungsprobleme führten zu einer 10:5-Führung (13.).

Die kurze Deckung gegen Christopher Kunisch, der alleine in der ersten Hälfte achtmal traf, zeigte kurzzeitig Wirkung. Zweimal versuchte Michael Boy vergeblich Verantwortung zu übernehmen und musste so Henrik Ortmann weichen (11:9, 18.) – der Auftakt des entscheidenden Zwischenspurtes. Acht Minuten lang blieb der hektische Primus, der nur Stückwerk ablieferte, ohne jeden Torerfolg.

Bis zur 26. Minute schufen Kunisch (2), Limbach, Öttking und Ortmann ein behagliches 16:9-Polster. Nach dem 18:11 wurden die TSG-er von der Kulisse mit stehenden Ovationen in die Kabine geleitet.

Das Duell der Torjäger hatte Kunisch gegen Ferndorfs bis dahin blassen Dennis Aust bis zu diesem Zeitpunkt klar zu seinen Gunsten entschieden. Auch wenn der TSG, etwa in Überzahl, erste Verschleißerscheinungen anzumerken waren; bis zu den Gegenstoßtoren von Florian Öttking zum 23:17 (44.) und Michael Boy (24:18, 45.) war die Welt in Heepen noch in Ordnung.

Dennis Aust machte jetzt den Unterschied aus. Ferndorfs Linkshänder, der nach dem Wechsel zehnmal zulangte, preschte in jede Lücke. Dass die lange recht offensive 3:2:1-Abwehr der Gäste nun geschlossen einen Schritt zurückging, wirkte sich fatal aus: Dem TSG-Rückraum fehlte es zunehmend an Durchschlagskraft. Die TSG-Fehlerquote wuchs: Pfosten Boy, Stürmerfoul Kappelt, Schritte Ortmann. Trainer Helmut Bußmeyer schwante Böses. Mit einer Auszeit wollte er nochmal auf seine Schützlinge einwirken (24:22, 49.). »Je näher die rankamen, desto nervöser sind wir geworden«, fand Carsten Kappelt.

Haarsträubend Öttkings Fehlpass bei einem Gegenstoß oder der missglückte Kempator-Versuch von Starck und Ortmann. In der 56. Minute war es so weit: Ferndorfs A-Jugendlicher Julian Schneider markierte mit dem 26:27 die erste und einzige Führung des Tabellenführers. Kunisch (57.) und Starck (58.) drehten das Resultat wieder um – 28:27. Schade, dass Johann-David Starck nun freistehend scheiterte.

Nach Zeitstrafen gegen Schneider und und Boy stand die TSG in den letzten 24 Sekunden in doppelter Unterzahl auf dem Feld. Zwölf Sekunden vor Schluss markierte Aust den Ausgleich. Zwar bekam die TSG noch einen direkten Freiwurf zugesprochen, doch die Versuche von Starck und (in der Wiederholung) Kunisch blieben in der TuS-Mauer hängen. Derweil Ferndorf glücklich tanzte, war Spielmacher Michael Boy einfach nur fertig. »Das war ein brutaler Kampf«, krächzte er.

»Unter dem Strich ist ein Punkt zu wenig«

Stimmen:
Ferndorfs längere Bank ein Trumpf
Helmut Bußmeyer, TSG-Trainer: Das war eine überragende erste Halbzeit von unserer Seite. So viel Spaß kann Handball machen. Wir haben Ferndorf im Laufe der zweiten Hälfte selber aufgebaut. Dieses Unentschieden ist in der vorweihnachtlichen Zeit gerecht.

Martin Räber, Co-Trainer TSG: Wir hätten es aufgrund unserer kämpferischen Einstellung verdient gehabt, zu gewinnen. Aber in der zweiten Halbzeit haben wir es vergessen, Tore zu werfen.

Caslav Dincic, Trainer TuS Ferndorf: Meine frühe Auszeit ist leider ohne Wirkung geblieben. Zwei Punkte hätten wir nicht verdient gehabt. Dieses Unentschieden ist für uns wie zwei Punkte. Wir haben das Spiel 45 Minuten lang in Angriff und Abwehr verschlafen und erst dann eine sehr gute Moral gezeigt. Diese Viertelstunde hat für ein Unentschieden gereicht, und dafür können wir dankbar und zufrieden sein.

Heinrich Rödding, TSG-Vorsitzender: Wir hatten Ferndorf lange gut im Griff. Unter dem Strich ist dieser eine Punkt zu wenig. Wir mussten auf entscheidenden Positionen vorne und hinten durchspielen, da fehlte am Ende das letzte Körnchen Kraft. Wir sind nicht so breit aufgestellt wie Ferndorf. Die konnten munter durchwechseln, ohne einen Qualitätsverlust zu erleiden.

Tobias Fröbel, verletzter TSG-Spieler: Unverschämt, wie lange Ferndorf in der Halbzeit in der Kabine war. Da hat Caslac Dincic einen Psychotrick rausgeholt.

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